Else und ich haben neulich wieder einen schönen Spaziergang durch die aktuellen Ausstellungen in der Staatsgalerie gemacht. Nachdem uns die Videokunst (»Manifesto« von J. Rosefeld) in dunklen Räumen die Augen schnell müde gemacht hat – auf 13 Projektionsflächen 13 avantgardistische Sagen über Kunst (in einer verschwenderischen, Hollywood-artigen Hochglanzproduktion) – suchten wir zunächst Zuflucht bei Kunstdinosauria: Cézanne, Manet, Van Gogh, Bonnard, Vallotton in der Ausstellung »Aufbruch Flora«.
Dann haben wir uns noch das Bild »Petty Smith« von Franz Gertsch angeschaut. Auch hier – handwerkliche Hochleistung, Fotorealismus vom Feinsten! Und erst hier fanden wir genug Ruhe, das Phänomen »Schein« in der bildenden Kunst genauer unter die Lupe zu nehmen.
Warum malen manche Künstler die Fotos ab, was wollen sie damit ausdrücken? Handelt es sich um eine neue, paradoxe, weil unmögliche Tiefe der modernen Kunst, die dazu verdammt ist, an der Oberfläche zu enden? Eine Provokation, eine perfide Weigerung, Sinn zu stiften? Oder doch nur geistlose Kopistenvirtuosität?
Das Thema ist so ergiebig, dass man gleich in Versuchung kommt, eine großepische, ebenso mit Hochglanzbilder illustrierte Kunstgeschichte zu erzählen. Ausgehend vom wundersamen Vogelherdhöhle-Pferdchen über Trugbilder des malers Parrhasios, fantastische Naturtreue der antiken Plastik, erstaunlichen Realismus von Porträtkunst der Renaissance und fabelhaften Illusionismus der niederländischen Stilllebenmalerei bis hin zu Hyperrealismus eines Duane Hansons und schrillen Kunstposen von Andy Warhol …
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