Kunsttheorie vs. Hitze

Am vergangenen Samstag war in unserem Atelier gefühlt 30 Grad. Um der Hitze zu entfliehen, suchten wir die Kühlung in der Theorie! Wir wechselten in einen anderen Raum, haben für ein paar Stunden die Pinsel abgelegt und uns der Bildtheorie gewidmet.

Es war eine spontane Entscheidung und eine Art Notlösung, aber auch eine tolle Gelegenheit, dieses faszinierendes Thema zu behandeln! Denn wer fragt sich noch, was ein Bild eigentlich ist! Wie man ein Bild malen kann, was man ausdrucken will und welche Materialien man am besten benutzen soll – das sind alles Fragen, die über das Bild als Phänomen nur wenig aussagen.

Was sehen wir also, wenn wir ein Bild betrachten und was machen wir (eigentlich), wenn wir ein Bild malen? Wir hatten eine lebhafte Diskussion nach meinem “Vortrag”, der eigentlich kaum diese Bezeichnung verdient – ohne Vorbereitung war nur das Gröbste möglich …

Es würde mich freuen, wenn wir – vielleicht im nächsten Semester – dieses Thema etwas ausführlicher angehen könnten. Habt ihr Interesse?


Wissen die Farben, dass sie ein buntes Schaf darstellen? Und das Schaf selbst, weiß es, dass es nur ein Bild ist? Die Künstlerin (Else), die dieses Bild gemalt hat, weiß jedoch seit Samstag ganz genau, was sie eigentlich gemacht hat … 🙂

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Der Kaiser ist eine Gemüseart

Guiseppe Arcimboldo (ca. 1527 – 1593), Vertumnus, Porträt von Kaiser Rudolf II.

Neulich in meinem Garten – in dem die übervollen Obstbaumäste bis zum Boden gebogen sind – fiel mir der wundersame Maler des Manierismus, Giuseppe Arcimboldo ein. Er hätte hier viel “Material” für seine fantastischen Porträts zur Verfügung!  Jeder hat zwar von diesem einfallsreichen Künstler schon gehört oder zumindest seine Kompositbilder gesehen. Trotzdem möchte ich hier eine Notiz über seine Kunst schreiben. Denn er wird oft sehr eindimensional wahrgenommen.
Zunächst das Bekannte: Das bildnerische Verfahren ist hier sozusagen auf dem Kopf gestellt, realitätsgetreu gemalte Teile ergeben in seinen Bild-Collagen lustige und überraschende Deutungswendungen – das Vertraute wird zum Baustein eines geheimnisvollen Fantastischen. Diese Werke sind zwar wahre künstlerische und humoristische Kostbarkeiten, aber sie sind viel mehr als nur lustige Formakrobatik und amüsante Menschen darstellende Gemüsekörbe![read more=weiterlesen less=weniger]Es sind auch andere Inhalte in den Bildern zu finden; kluge bildnerische Verrätselungen, die die unergründlichen Geheimnisse zu verhüllen scheinen, meisterhafte Charakterstudien, verdeckte Mahnungen und Verspottungen, narrenhafte Porträts im Spiegelbild der ansonsten stimmlosen Pflanzen- und Tierwelt. In seinem Werk befinden sich fantasievolle metaphysische Botschaften, lustige Überspitzungen und beharrliche Versuche, die Geheimnisse der Natur mittels Nachahmung und Umschichtung ihrer Formen zu entschlüsseln und – mittels Artistik – gar zu überschreiten.  Es ist die Zeit der Wunderkammer und der Kuriosenkabinette, die Zeit des Seltsamen, des Fantastischen, des Besonderen, des Deformierten … 16. Jh. ist noch eine vorwissenschaftliche Epoche, in der allerdings eine erstaunliche, unerschrockene Neugier die Geister beseelt und beflügelt. Nur, was weit über die Norm und über dem Gewöhnlichen hinausragt, reizt zur Betrachtung und inspiriert zur Forschung. In Europa herrscht eine weitverbreitete Überzeugung, dass nur das Studium des Außergewöhnlichen die Geheimnisse der Welt aufklären kann. Noch ist die Magie der feste Bestandteil jeglicher Forschung; Kunst und Wissenschaft gehören immer noch fest zusammen und der Überbegriff der Naturbetrachtung heißt immer noch Ovidische “Verwandlung.”  Auch Arcimboldo spielt mit diesem Gestaltungsprinzip in vielen seiner Bilder. Er malte Landschaften, die, um 90 Grad gedreht, wie Gesichter aussehen. Eine Schüssel mit Rüben, Zwiebeln und Nüssen sieht, wenn wir das Bild um 180 Grad drehen, aus wie der Kopf eines Gemüsegärtners. Wir merken auf dem ersten Blick gar nicht, was alles in den abgebildeten Dingen noch zu sehen ist. Die Wahrheit steht hinter dem Wahrnehmbaren, sie wird magisch verschleiert und wird – mittels Magie! – erkannt. Verwandlung, Verrätselung und gestalterische Spiellust kennen hier keine Grenzen. Was uns aber noch mehr fasziniert ist hemmungslose Überschreitung der Darstellungsmöglichkeiten der damaligen Malerei. Das Figurative ist hier ohne formale Abstraktion an den Rand des bildnerisch Darstellbaren gebracht worden. Die bildende Kunst ertastet eine erstaunliche, neuartige Nähe zur Literatur – die bildnerisch ausgesprochene Metapher ist hier gleich stark wie geschriebene!  Heute sind wir versucht, diese Kunst als Vorahnung des Surrealismus zu betrachten. Die Surrealisten haben Arcimboldo zwar wiederentdeckt und für ihre Forschung benutzt, aber seine Bilder wirken meiner Meinung nach am besten, wenn man sie aus ihrer Zeit heraus deutet. Und welche Botschaft haben für uns Heutigen diese Bilder? Vor allem diese: Die Natur kann ihre Fantastik nicht verlieren, ihre “Magie” und ihre Rätsel können uns aber helfen, unseren Geist zu vertiefen. Auch für die zeitgenössischen Künstler haben die Arcimboldos Kompositbilder eine klare Botschaft: Die Kunst wird immer die Kunst der (hemmungslosen) Beobachtung bleiben.  …   Aber es gibt auch hier die sprichwörtliche andere Seite der Medaille. Die prächtigen Wunderkammern, kostbare Schatzkammer und die fantastischen Gemälde dienten damals auch anderen Zwecken. In der Spätrenaissance war die Malerei tief in die Machtspiele der Herrschereliten verwickelt. Arcimboldo war im Dienst von drei Habsburger Kaisern in Wien und Prag. Auch diese Herrscher wollten ihre Machtansprüche durch überspitzte Prachtentfaltung zur Schau stellen. Arcimboldo lieferte alles, was dafür nötig war. Er gestaltete Festumzüge, die zu besonderen Anlässen wie Vermählungen oder Friedensschlüssen abgehalten wurden, als Maître d’Amusement organisierte und ausstattete er Feste, stellte die Kunstkammer des Kaiserhofs zusammen, gestaltete traumhafte Wagen, märchenhafte Kostüme und Dekorationen, ließ darin Fantasie- und Fabelwesen auftanzen; Drachen, Einhörner, Dämonen und Göttinnen. Der Künstler als Teil der PR-Abteilung am Kaiserhof? Das war zu jener Zeit nicht nur nichts Ungewöhnliches, sondern die Frage des künstlerischen Prestiges. Dem Arcimboldo gefiel seine Stelle am Hof außerordentlich. Er stellte – ohne Auftrag – Kaiser Rudolf II. in einem lustigen Kompositbild als Vertumnus dar, als Gott des Wandels und der Fruchtbarkeit …  Fortsetzung folgt – bei Bedarf, in unserem Atelier – unsere Kurse fangen ja in wenigen Tagen an![/read]

 


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Das Schöne und die Kunst


Worüber reden wir eigentlich, wenn wir über das Schöne reden, wie bilden wir ein Schönheitsurteil? Hat das Schöne überhaupt etwas mit der Kunst zu tun und wenn ja, seit wann?
Diese Fragen haben wir uns am vergangenen Sonntag in meinem Garten am Scharrenberg gestellt. Der Anlass dafür war die Geburtstagsfeier von Else, die eine “Ästhetikvorlesung” des Ateilerhausmeisters unter dem Titel “Das Schöne und die Kunst“* zum Geburtstag geschenkt bekommen hat.
Und was machen nun die Kunst und das Schöne, wenn sie zusammen kommen? Es ist wie in einem Märchen!  In dem berühmten Volksmärchen “Die Schöne und das Beast” verwandelt sich, wie wir wissen, das Ungeheuer am Ende der Geschichte – zur Freude der schönen Frau – in einen schönen Prinzen. In dem Vortrag verlief es auch mit der Kunst ähnlich, bloß umgekehrt – anfänglich mit Schönheit gepaarte europäische Kunst (Antike) verzichtet am Schluss (Aufklärung, Moderne) auf sie als ihr leitendes Attribut. Das “Kunstmärchen” endet mit einer konfliktreichen, dramatischen aber auch amüsanten und bunten Scheidung:  “Die Schöne” verlässt “den Prinzen”, weil er notorisch gern im Dreck wühlt – und findet mühelos gleich mehrere neue Verehrer und Liebhaber; den Modemacher und den Trendsetter, den Produktdesigner und Innenarchitekten, den Fitnesstrainer … und natürlich den Jungmacher der Welt – den Schönheitschirurgen.
Und der Künstlerprinz, was macht er nun verlassen und allein, ist er währenddessen ein von Eifersucht und Selbszweifel zerrissenes Ungeheuer geworden, schmiedet er Rachepläne? … Das erfahren wir in dem zweiten Tel des Vortrags.

Atelierhausmeister in seinem Element …


Auch Beate war im Garten dabei und hat darüber einen sehr schönen, poetischen Beitrag geschrieben. Vielen Dank dafür!

Ein Nachmittag im Garten
Vergangenen Sonntag hatten einige Malschüler die Gelegenheit, Željkos Kleinod – seinen wunderbar verwunschenen Garten am Degerlocher Scharrenberg – kennenzulernen.
Anlässlich einer Geburtstagsnachfeier durften wir – kuchenkauend und mit unseren Kaffeebechern in greifbarer Nähe – eintauchen in eine Welt üppiger floraler Vegetation, urig terrassiert in die Hanglage eingebettet, die uns im Laufe des Nachmittags auch detailiert erklärt wurde. Junge vitale Weinreben erobern sich ihr Territorium unter einem Dach aus betagten Ästen flechtenbewachsener Obstbaumsenioren. Apfel- und Birnbäumchen im Kindergartenalter suchen noch nach ihrer Wuchsform. Daneben kräftige Minzehorden, die sich pudelwohl am Platze fühlen; stoische Johannisbeersträucher, die nichts so leicht aus dem Gleichgewicht bringt, ebenso wie Vertreter der Gattung Stachelbeere. Auch die Gemüsefraktion kann sich nach Herzenslust entfalten, Brokkoli, Rote Bete, Paprika, Tomaten … nebst Kartoffeln … Einige Vertreter der rot-grünen Gemüsefraktion konnten wir gleich vor Ort als Salat genießen – farbvoll garniert mit essbaren Blütenblättern. Besonders das rot-weiß geringelte Innenleben der Roten Bete begegnet einem nicht alle Tage.
Und hie und da am steilen, schmalen Wegesrand gedeihen junge Rosen in verschiedenfarbiger Blütenpracht – im Wettstreit mit der Blühfreudigkeit von Winden und Wicken und anderem Wiesengewächs, das hier keine Angst haben muss, vorzeitig abgemäht und ausgemerzt zu werden.
Als Sahnehäubchen für die freudig interessierte Kunst- und Kulturseele durften wir alsbald einem Vortrag unseres Kunstdozenten lauschen zum Thema ‘Schönheit aus philosophischer Sicht’, angefangen bei Sokrates, Plato, Aristoteles und Plotin. Da solche Betrachtungen niemals in kurzer Zeit abgehandelt werden können, erfordert der Bogenschlag bis in die Moderne wohl einen weiteren Termin! Gerne wieder an selbiger Lokalität!
Vielen Dank Željko und Saša für die Einladung und Bewirtung in einem kleinen Paradies!
Liebe Grüße Beate

Die Fragen, ob die Kunst schön sein müsste / sollte / dürfte, mögen ungeklärt bleiben. Dass unser Treffen wunder-schön war, steht dagegen fest 😉

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* Damit Irrtümer ausgeschlossen bleiben:  Ein Werk mit dem ähnlichen Titel wie der Vortrag, “Über das Schöne und die Kunst” von Friedrich Schiller, wurde im Vortrag nicht behandelt.

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Im Spiegel der Kunst – Jan van Eyck

Arnolfini-Hochzeit, Detail – ein Rätselbild?


Letzte Woche haben wir uns ein paar Bilder von Jan van Eyck angeschaut. Schell wurde klar – jedes seiner Gemälden erzählt eine vielschichtige, oft romanhafte Geschichte!  Sakrale und Profane; Amt, Geschäft und Machtsucht mischen sich in einem bildnerischen Gefüge aus Architektur, Landschaft, Porträt; aus unerbittlicher Darstellung und liebevoller Idealisierung.  Um solche Werke vollständig zu verstehen, ist es allerding notwendig, etwas mehr über den Künstler und seiner Zeit zu erfahren.
Was müsste geschehen, dass auf einmal solche Bilder möglich werden?  Warum waren sie gleich so unglaublich beliebt und erfolgreich …?  Mit ein wenig Geschichtswissen erklärt sich manches von selbst.
Zum Beispiel, wie sich die Raum- und Figurendarstellung von ihrer religiösen Funktion im Frühmittelalter hin zum Anspruch einer weltlichen, perspektivisch-realistischen Weltdarstellung der Renaissance entwickelte.  Es handelte sich um zwei bildnerische Konzepte, die das Illusionistische der Tafelmalerei radikal anders verwendeten!  Allein diese Entwicklung ist ungeheuer interessant und bietet sich hervorragend an, um das Phänomen »Kunst« und ihre gesellschaftliche Rolle im Algemeinen besser zu begreifen. Denn in der Kunstgeschichte begegnen wir oft zwei, nicht selten unversöhnt gegenübergestellten Seiten – den Künstler mit seiner Eigenart, mit seiner Gabe die Welt anders wahrzunehmen und eine Gesellschaftsordnung bzw. eine vorherrschende Ideologie, die vom Künstler eine bildnerische Deutung und Präsentation verlangt … Immer wieder ertastet ein Künstler dabei das Neue, überwindet die Einschränkungen seiner Zeit – und seines Handwerks! – und gibt dem eigentlich schon Vorhandenden, Geahnten aber noch formlos Schwebenden eine konkrete Gestalt.
Sollen wir uns diesem Thema an einem Samstag- oder Sonntagnachmittag in unserem Atelier etwas mehr widmen?  Bei Interesse kläre ich, wann unser Raum frei ist, und gebe euch dann die möglichen Termine durch.

Gibt es einen Grund den Handteller so zu zeigen …? Und die Holzfiguren; der “Teufel” und der Lowe – was haben sie bei einer Hochzeit zu suchen?

Der Künstler unterschreibt sein Werk – aber mit “Jan van Eyk war hier”? Was wollte er damit sagen ?!

Ein prächtiger Kerzenleuchter, eine Hochzeit – warum brennt nur eine Kerze …?

Ein Bild im Bild – wer ist hier im Spiegel zu sehen, wer beobachtet das Brautpaar …?

Und wen stellt die betende Figur im Hintergrund dar …?


Der Künstler selbst …?


palette-k

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Das Buch: Die Kunst in diesem Augenblick


Die Kunst in diesem Augenblick
»Die Kunst in diesem Augenblick, Aufsätze und Tagebücher aus 50 Jahren« ist nur antiquarusch verfügbar


Dieses Buch – eine Sammlung von kurzen Texten über Kunst und Künstler aus der Feder von Wilhelm Hausenstein – haben wir neulich in einem Wochenendekurs besprochen. Dieses knapp 300 Seiten lange Werk, 1960 erschienen, ist immer noch sehr lesenswert und geradezu ideal für alle Atelierbesucher, die jenseits der Malstunden noch etwas Zeit und Muße für die Kunst finden. Ob über Rembrandt, Corint, Césanne, Van Gogh oder über Chagall, Kandinsky oder Klee … mit großer Meisterschaft zieht der Kunstschriftsteller Hausenstein den Leser in seinen Bann!

Darüber hinaus verrät der literarische Ton des Buches einen Humanisten der alten Schule, der, auch wenn er kritisiert, stets affirmativ bleibt. Hausenstein zeigt ein tiefes Verständnis, Mitgefühl und Liebe für die Künstler und ihr Anliegen, die Welt anders, auf eigene Art zu betrachten. Die Texte schildern die Künstler in ihrem beharrlichen, oft Kräfte zerrenden, manchmal in Stille fortschreitenden, manchmal leidenschaftlich bebenden Unternehmen, ihre künstlerische Weltanschauung zu behaupten. Neben dem Faktischen und dem Wissenschaftlichen über das Werk lesen wir auch das Literarische – über den künstlerischen Urreflex, dem Gewöhntem Widerstand zu leisten und über das unbändige Bedürfnis des Künstlers, der Gesellschaft den Spiegel hinzuhalten und unerschrocken das künstlerische »schau!« auszurufen.

Man kann noch so gelehrt, noch so gebildet sein und trotzdem kein Gefühl für die Kunst haben. Bei Wilhelm Hausenstein, der es während der Naziherrschaft entschieden abgelehnt hat, jüdische Künstler aus seiner Kunstgeschichte zu streichen und die Kunstwerke seiner Zeitgenossen als entartete Kunst zu bezeichnen – und deswegen bis zum Kriegende in einem Versteck leben musste – scheint dieses Gefühl angeboren gewesen zu sein.


Den Literaturliebhabern unter euch, die für ein paar Stunden unserer rastlosen, überhitzten Welt entfliehen wollen, möchte ich noch ein weiteres Buch von dem gleichen Autor ans Herz legen. »Drinnen und Draußen – ein Tagebuch über Landschaften und Städte, Tiere und Menschen« aus dem Jahr 1930. [ auch dieses Buch ist nur antiquarisch zu finden …]

 


palette-k

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