Eine Linie ist eine Linie ist eine Linie …

Am vergangenen Wochenende haben sich die Zeichner unter den Künstlern unseres Ateliers mit dem Phänomen “Linie” beschäftigt.
Was ist eigentlich eine Linie, ist sie bloß eine Abstraktion, oder gibt es sie wirklich; welche Eigenschaften hat sie, wie lässt sich mit ihr gestalten, was mit ihr ausdrucken … und: welche Übersetzungs– und Wahrnehmungsvorgänge finden beim Zeichnen einer Linie statt? Wir wissen zwar, dass das Zeichnen die Haupt– und Ursprache der bildenden Kunst ist, aber was heißt das eigentlich?  Nun haben wir es ein Stück weit in Erfahrung gebracht!
Um das Phänomen “Linie” besser verstehen zu können, haben wir uns ein wenig mit der theoretischen Abhandlung “Analysis of beauty“(erschienen 1753) des britischen Künstlers William Hogarth befasst. Er hat die Begriffe “Line of the Beauty” und “Schlangenlinie” geprägt und eine bemerkenswerte Theorie der Linie hinterlassen, in der er sie zum wichtigsten Gestaltungsmittel der Kunst erheben wollte … (man beachte, dass auf seinem Selbstporträt auf der Palette keine Farben zu sehen sind, sondern nur eine Linie!)
Den ersten Tag haben wir verschiedene Übungen gemacht – nicht zuletzt um zu erfahren, dass JEDER zeichnen kann (und soll). Als Werkzeug haben wir Grafitstifte gebraucht … Linie ziehen, dabei den Druck variieren und einfache Lichtverhältnisse in die Grafik übersetzen. Hier ein paar Zeichnungen des ersten Tags.

Fortsetzung folgt …


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– Singende Köpfe, tanzende Linien – Teil II

Am zweiten Tag unseres Workshops haben unsere Köpfe ein Leben in Farbe geschenkt bekommen, jede Künstlerin hat aus der konstruierten Kopf-Form eine andere bildnerische Aussage gemacht!  Dieses Mal haben wir statt Acrylfarbe Jaxson Kreide benutzt.


Julia hat eine kupferfarbene Palette gewählt – ihre ruhig singende Frau hat in ihrem Blick auch etwas Melancholisches … was für ein Lied singt sie?

Das expressive Bild von Else würde auch ohne offenem Mund schreien. Das Licht ist souverän “moduliert”, sodass der ganze Bildraum stark und plastisch wirkt. Schaut euch Linien und Flächen an – sie sind wunderbar ineinander verwebt!

Barbara hat ihre eigene Bildvorlage mitgebracht – eine Szene aus einem Fernsehkrimi. Sie hat Jaxon Kreide mit einem Lappen verschmiert und damit eine schöne Spannung zwischen harten Linien und weichen Flächen ausgebaut.

Sabine ist ein wahres Meisterwerk gelungen! Atmosphärisch sanft modellierter Kopf, mit viel Gefühl für Licht und Raum. Man kann kaum glauben, dass sie noch nie einen Kopf gemalt hat!
Vom Gretes Bild habe ich leider nur die Aufnahme des noch unvollendeten Kopfes gemacht. Aber das Bild wirkt schon in diese Phase stark, das Skizzenhafte lässt schon alles Wesentliche erahnen. Aber … singt die Frau oder ist sie – wie in einem Krimi – tödlich erschrocken?
Es war eine wunderbare Zeit, wir haben viel Spaß miteinander gehabt!

 

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– Singende Köpfe, tanzende Linien – Teil I

Die Zeichner unter den Künstlern unseres Atelier haben sich über das Wochenende mit dem Thema “Mimik und Ausdruck” beschäftigt – und einen Kopf zum Singen gebracht.
Die Anatomie des Singens ist gar nicht einfach. Zunächst haben wir uns mit der Verformung unseres “Roboterkops” beschäftigt. Das Erfassen von entsprechender Körperhaltung und perspektivische Verzerrung der anatomischen  Grundform verlangten zwar hohe Konzentration, aber die Arbeit hat uns so ergriffen und so viel Spaß gemacht, dass wir die Zeit ganz vergessen haben! Manche schwierige Stellen – z. B. Ohren, Augen und Nase – haben wir separat behandelt, erklärende Skizzen gemacht (und sogar Spickzettel geschrieben!), um die Zusammensetzung der Formen besser verstehen zu können. An unserem ersten Tag sind wir um 17 Uhr wie aus einem Traum erwacht – und müssten über die Qualität unserer Werke staunen.

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Da wir weder eine Vorlage noch ein Model benutzt haben, müssten wir den singenden Kopf zunächst mithilfe unseres Standardmodels konstruieren. Dies ging nur Schritt per Schritt

Irgendwann fingen unsere Linie an zu singen

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… und hier ein paar Details.

 

Am Sonntag haben wir mit Farbe gearbeitet, darüber im nächsten Beitrag …

 

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Apollo in Tübingen

Tübingen ist eine hübsche, angenehme Stadt. Flanieren, in einem netten Café Kaffee trinken, am Fluss die Ausflugsboote beim Vorbeigleiten beobachten – wunderbar!
Aber in der Glyptothek im Schloss Hohentübingen, wo Gipsabgüsse berühmter antiker Skulpturen ausgestellt sind, zeichnen gehen – das ist etwas ganz besonders!  Neulich habe ich es (wieder) gemacht.

Im Vordergrund steht Nike von Samothrake! Selten ist in der griechischen Plastik die Wirkung einer selbst nicht darstellbaren Substanz – der Luft – so eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht worden. Lange wurde die Skulptur der Siegesgöttin als das schönste Kunstwerk aller Zeiten gepriesen.  Im 20. Jh. wollten die Futuristen dem ein Ende setzen –  Marinetti rief aus: Ein Rennwagen, dessen Karosserie große Rohre schmücken, die Schlangen mit explosivem Atem gleichen … ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake. (darauf attestierte Herman Broch den Futuristen eine “Kindheit der Vernunft”.  Heute sagen wir: zu Recht! Denn was eine zwar avantgardistische aber auch pubertäre Begeisterung für Technik, Schnelligkeit, Lärm, Masse, maschinelle Reizerhöhung und überhaupt für das “Neue” aus der Welt gemacht hat, wissen wir nur zu gut …)
Hier meine Zeichnung, in der ca. 30 Minuten Beobachtung gespeichert sind …
Eine Skizze … Es ist ein Vergnügen besonderer Art, die Linien einer Skultpur (oder eines beliebigen Objekts!) zu dokumentieren, die Bewegung des Körpers durch Bewegung des Bleistifts noch einmal künstlerisch mit Leben zu füllen …
Genau so berühmt wie “Nike” – der Diskuswerfer von Myron
Diskuswerfer aus einem anderen Blickwinkel. Hier gilt eine alte Zeichner-Weisheit: Je schwieriger die Haltung des Körpers, umso schneller soll man zeichnen. Denn das Auge und die Hand “wissen” am besten, was zu tun ist – überlegt man zu viel, besteht die Arbeit bald nur noch aus Korrigieren …
Aphrodite von Melos – eine geradezu erstaunliche Klarheit der Formen … Neben der Laokoon-Gruppe und der Nike von Samothrake ist sie eine der bekanntesten Beispiele hellenistischer Kunst.
Apollo von Belvedere hier mit draufgeklebtem Feigenblatt – die Schönheit und die Kunst können für die Nacktheit nicht immer bürgen. (Die lächerliche Schambedeckung ist von der Originalstatue längst entfernt worden.) … Für Winckelmann stellte das Werk „das höchste Ideal der Kunst unter allen Werken des Altertums“ dar.
Ein Porträt von dem Stoiker Chrysipp … Alles, was wir im Kurs “Kopf malen und zeichnen” behandelt haben, kann man hier – in meisterhafter Weise angewendet! – sehen … Wenn man weiß, wie und aus welchen Grundformen der Kopf zusammengesetzt ist, gelingt jedes Porträt. (Das viele Üben bleibt trotzdem niemanden erspart)
In der Tübinger Antiken Sammlung müssen die menschlichen Körper nicht nur für die prächtige Darstellung von Göttern mit ihren “idealen” Proportionen hinhalten. Hier ein wunderbares Porträt eines alten Mannes. Es bezeugt den gekonnten Naturalismus und eine unerschrockene Kunst der Beobachtung damaliger Bildhauer …
Auf dem Weg zum Bahnhof, am Flussufer, sah ich weitere Zeichner …! Wann gehen wir zusammen zeichnen?

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Kopf zeichnen und malen – Teil 2


Über den Kurs berichtet – Beate …


Vergangenes Wochenende fand der Fortsetzungskurs zum Thema ‚Kopf zeichnen und malen‘ statt. Ein Großteil der Malgemeinschaft vom Januar war wieder mit von der Partie, sowie zwei, drei neue Gesichter.
Auch diesmal begann alles mit einer Luftballon-Bleistiftzeichnung, die längs und quer in Abschnitte unterteilt wurde, um Augen, Mund und Nase ihren Platz zuzuweisen.
Anders als im ersten Teil des Kurses, als der Kopf ‚en face‘ – also von vorne – herausgearbeitet werden sollte, bestand die Aufgabenstellung nun darin, ein Halbprofil zu erstellen. Dazu wurden Punkte auf dem linken Teil der Querlinien markiert, die, von oben nach unten miteinander verbunden, den Weg für weitere Punkte und geschwungene Querbögen vorgaben, an denen sich die Platzhalter von Augen, Nase und Lippen orientieren konnten.

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Die Erstellung dieses faradayschen Kopfdrahtkäfigs wurde kunsthistorisch unterfüttert mit launigen Abhandlungen unseres Atelierhausmeisters über Rubens und die Verwendung des Malstocks, bis hin zu Michelangelo und den Geheimnissen um die Laokoongruppe.
Das Verhältnis von Licht und Schatten auf die einzelnen Gesichtsmerkmale war uns vom ersten Kursteil her schon recht vertraut. Neu war die Darstellung der leicht abgewandten Gesichtsseite mit ihren ‚gestauchten‘ Bestandteilen. Einige Mühen bereitete auch die hohe Kunst, der linken Ohrmuschel gerecht zu werden.
Im Laufe des Samstagnachmittags entstanden ausdrucksvolle Augen und flotte Frisuren und fertig war das Gesicht als Bleistiftzeichnung.
Der Sonntag begann mit einem Stelldichein der Künstler und ihrer Werke in der bekannten Ausstellungsecke der vierten VHS-Etage. Alles in allem war das Experiment gut gelungen und vor uns lag ein ganzer Tag im Zeichen der Farbe.


Schnell ein neues, weißes Blatt auf’s Zeichenbrett geklebt, mit leichter Hand die Outlines skizziert und schon tanzten die Pinsel – in Acrylfarbe und Wasser getaucht – von links oben nach rechts unten über’s Blatt, um einen Farbverlauf von dunkel nach hell zu fabrizieren. Der Kopf blieb dabei erstmal weitestgehend ausgespart. Er sollte im Negativverfahren entstehen, indem zunächst dunklere und hellere Tonwerte gemalt wurden. Dabei blieb man im Grunde immer bei der einen Ausgangsfarbe, in der schon der Hintergrund erstellt wurde. Das Ganze einmal gut durchtrocknen lassen. Nun kam die Farbe Weiß in’s Hell-Dunkel-Spiel und half mit, verschiedene Proportionen herauszuarbeiten …

 
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Es entstanden im Lauf des Nachmittags verschiedene Charaktere: vom gut gelaunten Galan, dem die Welt offen zu stehen scheint über den violett verwegen blickenden, dunkelbärtigen Rasputin, entlang hell terrakottafarbener bis rötlich blauer, barhäuptiger und maskenbewehrter Wesen, bis hin zu eingefleischten Melancholikern, denen auch viel gutes Zupinseln nicht ihren traurigen Ausdruck nahm.
Mit jedem Kurs wächst das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten !
Vielen Dank, Željko, für deine geduldige Hilfe beim Entwickeln unserer Fähigkeiten!
LG bis zum nächsten Kurs! Beate

PS. Beate hat auch über den ersen “Kopf”-Kurs einen Bericht verfasst. Hier kann man ihn nachlesen !  Dafür sei ihr auch an dieser Stelle herzlich gedankt !


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