Die Kunst der Kunstbetrachtung


Museumsbesuch mit Željkos simplen Regeln im Kopf
Ein Bericht von Julia L.

Sabine und ich hatten keinen ausgereiften Plan. „Lass uns am Freitag was zusammen unternehmen … irgendwas mit Kunst“. Wir entschieden uns für die Sammlung im Glaskubus, im Kunstmuseum Stuttgart. Aber erst mal gemütlich Kaffeetrinken. Wir plaudern uns warm, indem wir nochmal unsere aktuellen Themen im Mittwochs-Kurs umreißen:
Große Form / kleine Form.
Zwei Farben und höchstens eine zusätzliche Akzentfarbe.
Wiederholung von Form und Farbe.
Simpel und kaum als Aufgabe zu deuten – und doch könnten die Ergebnisse im Mittwochskurs unterschiedlicher kaum sein! Ingrid taucht in dynamisch verschlungene Farblabyrinthe, die eine Sabine malt ein fröhliches Triptychon aus rosa-grünen Fantasieformen, die andere Sabine breitet ihre Märchenwelt schimmernder Verläufe auf einer großen Leinwand aus, ich zerstückle große Formate in unendlich wiederholte Würfelchen… so erinnern wir uns an das bisherige Semester – kaum zu glauben, dass all unseren Bildern die drei für uns neuen Regeln zugrunde liegen! Genug gefachsimpelt – los geht’s zum Kunstgenuss!

In der weihevollen Kassenhalle des Kubus fühle ich mich wie immer zunächst etwas verloren, entsprechend desorientiert drücken Sabine und ich uns herum als hinter uns eine freundliche Stimme fragt „was macht ihr denn hier?“ – Else! Da steht plötzlich Else fröhlich grinsend bei uns, sichtlich entspannt – es ist uns allen sofort klar:  Else hat Zeit und Lust und kommt spontan mit.

Im ersten Saal mit abstrakter Kunst kommen wir schnell in Fahrt: es stellt sich heraus dass auch im Donnerstagskurs bei Else die drei Kompositions-Prinzipien diskutiert werden. Und plötzlich tauchen sie rund um uns herum in jedem Bild auf! Wir sind ja schließlich Meister der Bildbesprechung und kennen kein Halten mehr, sehr zur Belustigung der Museumswärter die sich auffallend um uns herum drücken, um sich unsere Analysen nicht entgehen zu lassen.
Schau dort, Rita Ernst:


Sie legt Balken über einen Teppich aus grau-weißem Rautenmuster und nennt es „Strukturelle Ordnung“. Drei Farben – Formwiederholung – Rot als Akzent und Grau als Partner für die Farbentfaltung. Glasklar!
Noch strukturierter bei Anton Stankowski:


In seiner „Progression“ wandern Würfel stets in derselben Folge immer kleiner werdend in Spiralen ins Unendliche – Würfel? Das muss mir ja gefallen!
Fritz Winter könnte denselben Kurs bei Željko besucht haben wie wir:


Man sieht seinem „Schwarz vor Blau“ an, dass es das Finale einer unendlichen Reihe von Skizzen darstellt. Spannend sich vorzustellen, dass er an diesem Punkt beschlossen hat: das Bild ist fertig. Mir fällt das immer unheimlich schwer! Aber gerade die Luftigkeit und Spontanität eines geübten schnellen Wurfes macht das Bild aus.
Ganz anders bei Jean-Paul Riopelle:


Mein Lieblingsbild war von Walter Stöhrer:


„Ohne Titel“ – ohne Umstände – ohne weiteres macht es einen riesen Eindruck auf mich, ich habe bis heute nicht herausgefunden warum. Aber auch hier sind alle Prinzipien des Atelierhausmeisters sichtbar: drei Farben – Wiederholung der Form – klein/groß.
Wir hatten einen riesen Spaß, die simplen Regeln auf fast jedes ausgestellte Bild anzuwenden. Selbst die Großen sind auf diese Weise lesbar, zum Beispiel Willi Baumeister „Metaphysische Landschaft (mit Punkten)“:


Hier sind sogar noch mehr Inhalte aus Željkos Kursen sichtbar: Grau als Unterstützung zur Entfaltung von Farbe und – hatten wir nicht so ähnlich fröhliche Landschaftsthemen im letzten Semester behandelt?

Else, Sabine und ich hatten einen fröhlichen Vormittag und haben beschlossen, öfters gemeinsam die Kunstausstellungen Stuttgarts zu studieren. Das wäre toll! Ich freu mich drauf!
Sabine, Else und Julia (am Balkon unseres “Glaskubus” …)

 

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