Kunst im Kopf – euere Sommerlektüre!


Ein Sommer ohne ein tolles Buch ist kein richtiger Sommer!

Für Kunstinteressierte, die gern lesen, empfehle ich den Erzählband »Die Zimtläden« von polnischem Zeichner, Zeichenlehrer und Schriftsteller Bruno Schulz!


Abgebildet ist die Ausgabe aus dem Jahr 1966, die alle seine Erzählungen beinhaltet. 2008 ist eine viel gelobte Neuübersetzung erschienen. Lesenswert ist auch die Sammlung seiner Aufsätze und Briefe “Die Wirklichkeit ist Schatten des Wortes”.

Dieses Buch ist eine Reise in die stille Fantastik einer jüdisch-mythischen, vormodernen Welt inmitten der Moderne. »Die Zimtläden«, 1933 erschienen (1961 und 2008 auf Deutsch), gehört ganz dem Mythos, dem Traum und der Illusion an. Das literarische Herz dieser Prosa ist trotzdem avantgardistisch, weil radikal und emanzipatorisch. Schein und Wirklichkeit; Mensch und Marionette; Irrsinn und Einsicht; Komik und Vision, ineinander verwoben und ironisch gebrochen, sind Gegenpaare, aus denen Schulz’ wundersame Erzählungen entstehen. »Diese Wirklichkeit ist dünn wie Papier, und jeder Spalt verrät, dass sie bloß imitiert ist«, behauptet der Künstler und verrät somit sein Verhältnis zur Kunst – sie ist wirklicher als Wirklichkeit, denn das Leben in ihr kann allzu leicht zum »Ding« werden.  Kapitalismus, Industrialisierung, Geschäft, Geldmarkt, Urbanisierung – vom Schulz nie direkt, geschweige denn politisch thematisiert – haben eine Welt erschaffen, die das Stoffliche, Tote und Dinghafte mit einem neuartigen, »modernen« und einem zutiefst unheimlichen Leben ausstattet; die Maschine setzt sich überall durch, wird zum Prinzip und zur Metapher des Lebendigen – und zum Maß aller Dinge.

Erzählt wurde aus der Perspektive eines Kindes. Die Handlung der meisten Erzählungen allerdings dominiert die Figur des Vaters. Er ist ein zorniger Prophet und komödiantischer Philosoph, ein feuriger Forscher und lustiger Erklärer des toten Lebens; der Stoffe, der Materie, der Gebrauchsgegenstände, der Gerüche und der Klänge. Alles in seiner Welt ist hybrid, vermischt, die Formen sind unstabil, sie flimmern in einer wundersamen Metamorphose schnell auf, erstarren dann in plötzlicher Banalität oder lösen sich wie kleine episodische Traumerscheinungen im Morgenlicht auf. Die Gegenstände, die unsere Welt langsam zu verstopfen trachten, täuschen ihre Funktion nur vor und warten insgeheim, dass sie sich uns endgültig verweigern. …


Doch – können wir so etwas überhaupt noch nachvollziehen? Wir, die Heutigen sind doch längst daran gewöhnt, alles nach Funktion und Gebrauchswert zu betrachten. Wir leben – von morbiden Bequemlichkeiten einer maschinisierten Welt verwöhnt – in einer als entzaubert erklärten Wirklichkeit, deren abgeschworene Magie wir nicht mehr ohne Anstrengung wahrnehmen können. Wir brauchen Hilfe. Wir brauchen Kunst. Und hier ist sie!  Die Literatur von Bruno Schulz kann uns helfen, eine grundlegende Welt-Fantastik, die auch unserem Alltag beiwohnt, zu entdecken!


Das zur Weltliteratur zählende Werk von Bruno Schulz umfasst kaum 300 Setein.  Am 19. November 1942 wurde er in seiner Geburtsstadt Drohobycz auf offener Straße von einem SS-Mann erschossen.


Sowohl als Schriftsteller als auch als Zeichner war Schulz ein Schüler seines eigenen Talents. Er dürfte nur kurz und ohne Abschluss Architektur studieren, hinterließ aber eine Reihe bemerkenswerter expressionistischer Zeichnungen und Grafiken. Sie sind im Band “Bruno Schulz – Das Graphische Werk”, 1992 veröffentlicht.

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Täglich ein Kunstwerk …


Heute berichte ich ausnahmsweise in eigener Sache:

Nach längerer Zeit gibt es wieder eine Ausstellung von mir.

In der Galerie KUNSTBEZIRK eröffnet am 12. November die Gruppenausstellung “Daily”, an der ich mich mit meinem Projekt “Scharrenberger Zeichnungesarchiv” beteilige. Zu sehen werden 60 Zeichnungen aus der Sammlung des Archivs sein. Darüber hinaus wird man über die Kunst des Zeichnens und über die zeichnerische Meditation plaudern können … Auf euer zahlreiches Kommen würde ich mich sehr freuen!


Daily – Jeden Tag das Gleiche … Perfektion oder Meditation? Meisterschaft oder Übung? Eine Ausstellung auf den Spuren von Repetition, Können, Ausdauer, Geduld und verstreichender Zeit.

Vernissage: Freitag 12. November 2021 um 19 Uhr

Begrüßung: Dr. Peter Hoffmann, Vorsitzender des Förderkreises

Einführung: Clemens Ottnad, Kunsthistoriker, Stuttgart

Kunstbezirk Stuttgart: Galerie im Gustav-Siegle-Haus, Leonhardsplatz 28, 70182 Stuttgart

Ausstellungsdauer: 12. November 2021 bis 21. Januar 2022 – Di. bis Sa. 15:00 – 19:00 Uhr


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Mit Zeichenfeder durch Provace …


Vor einiger Zeit konnten wir das schöne zeichnerische Reisetagebuch aus Vietnam von Michael bewundern. Danach hat sich auch Simone – ebenso eine tolle Zeichnerin! – gemeldet und mir ein paar Bilder aus ihrem wunderbaren Zeichenbuch geschickt. Es ist im Sommer 2020 während ihrer Provence-Reise entstanden. Mein Titelvorschlag: “Die Linien der Sehnsucht” … Über ihre Zeichentechnik schreibt sie:


Ich habe mir zum Spaß Tusche gekauft, um meine schon etwas betagte Zeichenfeder wieder mal auszuprobieren. Und das hat richtig Spaß gemacht! Man zeichnet viel selbstbewusster, da man jeden Strich, den man macht, nicht mehr zurücknehmen kann! Das gefällt mir im Moment sehr und ich lerne sehr viel dazu! … Wenn man dann noch verschiedene Federn ausprobiert (dünne Zeichenfeder oder grobe Rohrfeder) und die Tusche noch mit Wasser verdünnt, dann hat man noch mehr Abwechslung. Und will gar nicht mehr aufhören!


 

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Martin Zimmerhakl im Forum 3



Liebe Blogleser*innen,

bald werden wir eine wunderbare Gelegenheit haben, die Arbeiten von Martin Zimmerhakl, der auch in unserem Atelier gemalt und gezeichnet hat, zu sehen! Der Titel seiner Ausstellung, “Aquarelle und Zeichnungen vom Jakobsweg” sagt schon viel über die Werke und über das Thema aus! Er lädt uns ein, die Stationen einer bildnerischen und spirituellen Wanderung mithilfe einer eindrucksvollen, tiefen Kunst zu machen!


 

Hier die Infos:

WannFinissage am 15. Oktober um 19.00 Uhr

WoForum 3 e.V. Gymnasiumstraße 21 / 70173 Stuttgart

Blick auf die Klosterkirche in Villafranca del Bierzo

REISEEINBLICKE

von Martin Zimmerhak

Schon lange hatte ich den Gedanken, den Jakobsweg zu laufen. Inspiriert wurde ich natürlich durch Hape Kerkeling aber auch durch Carmen Rohrbach. Sie schrieb das wunderbare Buch „Jakobsweg – Wandern auf dem Himmelspfad“. Nach einer persönlichen Krise im Jahr 2015 entschied ich mich dann das Projekt Jakobsweg anzugehen. Mir war klar, dass ich nicht die Zeit hatte den gesamten Weg am Stück zu laufen. So blieb mir die Alternative den Weg in einzelne Abschnitte einzuteilen. Drei sind es geworden. Im Herbst 2016 war es so weit – die Pilgerreise konnte starten. In einer ersten Etappe lief ich von „Saint-Jean-Pied-dePort“ bis nach Burgos. Im Frühjahr 2017 ging ich den zweiten Abschnitt von Burgos nach Ponferrada. Und am 13.April 2019 startete ich schließlich den dritten und letzten Abschnitt der Reise. Der Startpunkt war wieder die Stadt Ponferrada.

Bis Santiago de Compostela lagen noch über 200 Kilometer vor mir. Es war die Karwoche und ich wollte Santiago ungefähr zu Ostern erreichen. Der Weg führte durch die drei spanischen autonomen Regionen Galicien, Kastilien und León. Die Natur ist in diesem Abschnitt besonders schön, die Landschaft karg und urig. Das gleiche gilt für die Architektur. Für mich ist dieser Abschnitt sehr authentisch. An vielen Ecken war die lange und alte Tradition des Weges spürbar. Das Kloster Samos, das etwas abseits des Weges liegt, war für mich eines der kulturellen Highlights.

Ich war zum Teil bei traumhaftem Frühlingswetter unterwegs. Bei den letzten drei Etappen, durfte ich erfahren, dass man aber in Galicien auch öfters mit Regen rechnen muss. Immer wieder lief ich im strömenden Regen. Zum Glück waren meine Bilder sehrt gut geschützt. Bei meiner Ankunft in Santiago, zwei Tage nach Ostern, wurde ich von einem Regenbogen begrüßt. Diesen konnte ich mit einem Foto festhalten. Meine Pilgerreise endete in Porto.

Ich bin mir sicher, dass das nicht meine letzter „Camino“ war. Diese Art zu reisen hat mir sehr gut gefallen. Bis auf eine Ausnahme konnte ich mit der Bahn, dem Bus reisen und musste nicht fliegen.


Mehr Infos unter: https://artzimmerhakl.wordpress.com/


 

Blick von der Kathedrale auf die Altstadt und den Börsenpalast von Porto. Im Hintergrund der Rio Douro

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Im Schatten der Fantasie


Bis 07. März kann man noch die Ausstellung “Zustände” von Jenny Dam – wir haben schon darüber berichtet (HIER) – sehen! Hier ein paar Aufnahmen für alle, die es bisher nicht geschafft haben, Dams wundersame Bilderwelt zu sehen.


Dams Werke sehen wie Illustration für noch nicht geschriebene, aber trotzdem vorhandene Geschichten aus! Lustig und rätselhaft, plakativ und doch tiefgehend …

 

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Kunstreise nach Paris Teil II


Im zweiten Teil des Pariser Reiseberichts von unserer Julian zeigen wir wunderbare zeichnerische – und literarische! – Notierungen vor Ort.
Leider ist diese Art, ein anderes Land oder eine andere Stadt zu erleben, beinahe ausgestorben. Reisen tun wir gern. Aber kommen wir am Ende unserer Reise überhaupt irgendwo an? Die Zeichner haben es schöner – und leichter. Mit dem Bleistift schauen, mittels Linie ein Netzwerk aus Stimmungen und Gefühlen herstellen … Wenn wir “zeichnerisch” unterwegs sind, erleben wir das schöne Paradox der künstlerischen Beobachtung: Im Spiel der Linien “sehen” wir plötzlich das Vertraute im Fremden und nehmen überraschend das Neue im Gewöhnlichen wahr! Unsere Eindrücke werden tiefer und vielfältiger, die Reise ist nicht mehr ein Abhacken von Must-see Orten, sondern – die Poesie des Lebens!

Kunstreise nach Paris Teil II
Wie keine andere Großstadt ist Paris ein Mosaik privater Szenen, ineinander verschachtelt, zeitgleich getürmt, voreinander geschoben. Nachbarn in Hausschuhen genießen einen Morgenplausch inmitten drängelnder Touristenströme. Dicht dahinter brummt der mächtige Lärm der Boulevards, der sich als Grundrauschen über die gesamte Stadt legt. Jeder kennt jeden trotz tosender Anonymität. Mit jedem Augenschlag ein neues Bild. Das Zeichnen macht mir unendlich Spaß, das Motiv verschmilzt mit meinen Gedanken zu einer eigenen Erinnerung während ich dem wandernden Bleistift zuschaue. Bei jeder Skizze habe ich an unsere gemütlichen gemeinsamen Stunden beim Zeichnen auf der  Ökostation  gedacht, das hat mir Mut gemacht!

Im Park von St. Ambroise schlafen die Pariser ein Nickerchen auf Kunstrasen unter dem grellen Scheinwerfer der Mittagssonne und lassen die Kinder der Stadt zwischen bunten Blumenbeeten toben. Geflüsterte Familiengeheimnisse und Bienensummen fliegen durch die Kakophonie der Großstadt, die irgendwo anders und doch gleich nebenan zu sein scheint.

Die nächste Insel: Notre-Dame zur perfekten Tageszeit. Die grauen Sandsteinmauern schwingen im Kontrast vom gelben Licht der Kronleuchter und dem blaufahlen Hintergrundlicht, das aus der Dämmerung durch die bunten Kirchengläser schwimmt. Dazu überstimmt ein heller Tenor mit den Liedern der Abendmesse das Rascheln der Touristen.

Abendessen, das Licht rutscht vom gestressten Pariser unbemerkt durch die Spektralpalette der Dämmerung. Als die Quiche mit Salat aufgegessen ist, sitzen die Gäste des gegenüberliegenden „Pause Café“ wie schwarze Mücken summend im gelben Licht der Straßenlaterne.

Bei diesem Abendessen handelt es sich um eine ganz andere Dämmerung! „Chez Paul“ ist die Ente kalt, die Käseplatte einfallslos, aber Ricard und Wein so ganz allein haben es in sich! Eine schnelle Skizze mit lockerem Stift vom leergegessenen Bistrot-Tisch erheitert mich. Nature morte, Julia morte, bonne nuit!

Die letzte Kulisse zeigt den morgendlichen Trubel unter dem breiten Bogen der Porte St. Denis kurz vor der Abfahrt. Ich bin glücklich! In den wenigen Tagen mit meinem Skizzen-Block fühle ich schon mehr Schwung und Sicherheit in meinem Lieblings-Bleistift (den ich übrigens aus dem Atelier-Schrank geklaut habe – ich gestehe!).


Die Passanten im Café zu skizzieren habe ich mich nicht getraut. Diese Hürde möchte ich unbedingt beim nächsten Mal überwinden: schließlich sind es die Pariser, die Ihre geheimnisvollen Kulissen beleben und sie zu diesem einen vibrierenden Ganzen zusammenfügen – Paris!
Liebe Grüße an alle Blogleser, Julia


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