Kunstreise nach Paris Teil II


Im zweiten Teil des Pariser Reiseberichts von unserer Julian zeigen wir wunderbare zeichnerische – und literarische! – Notierungen vor Ort.
Leider ist diese Art, ein anderes Land oder eine andere Stadt zu erleben, beinahe ausgestorben. Reisen tun wir gern. Aber kommen wir am Ende unserer Reise überhaupt irgendwo an? Die Zeichner haben es schöner – und leichter. Mit dem Bleistift schauen, mittels Linie ein Netzwerk aus Stimmungen und Gefühlen herstellen … Wenn wir “zeichnerisch” unterwegs sind, erleben wir das schöne Paradox der künstlerischen Beobachtung: Im Spiel der Linien “sehen” wir plötzlich das Vertraute im Fremden und nehmen überraschend das Neue im Gewöhnlichen wahr! Unsere Eindrücke werden tiefer und vielfältiger, die Reise ist nicht mehr ein Abhacken von Must-see Orten, sondern – die Poesie des Lebens!

Kunstreise nach Paris Teil II
Wie keine andere Großstadt ist Paris ein Mosaik privater Szenen, ineinander verschachtelt, zeitgleich getürmt, voreinander geschoben. Nachbarn in Hausschuhen genießen einen Morgenplausch inmitten drängelnder Touristenströme. Dicht dahinter brummt der mächtige Lärm der Boulevards, der sich als Grundrauschen über die gesamte Stadt legt. Jeder kennt jeden trotz tosender Anonymität. Mit jedem Augenschlag ein neues Bild. Das Zeichnen macht mir unendlich Spaß, das Motiv verschmilzt mit meinen Gedanken zu einer eigenen Erinnerung während ich dem wandernden Bleistift zuschaue. Bei jeder Skizze habe ich an unsere gemütlichen gemeinsamen Stunden beim Zeichnen auf der  Ökostation  gedacht, das hat mir Mut gemacht!

Im Park von St. Ambroise schlafen die Pariser ein Nickerchen auf Kunstrasen unter dem grellen Scheinwerfer der Mittagssonne und lassen die Kinder der Stadt zwischen bunten Blumenbeeten toben. Geflüsterte Familiengeheimnisse und Bienensummen fliegen durch die Kakophonie der Großstadt, die irgendwo anders und doch gleich nebenan zu sein scheint.
Die nächste Insel: Notre-Dame zur perfekten Tageszeit. Die grauen Sandsteinmauern schwingen im Kontrast vom gelben Licht der Kronleuchter und dem blaufahlen Hintergrundlicht, das aus der Dämmerung durch die bunten Kirchengläser schwimmt. Dazu überstimmt ein heller Tenor mit den Liedern der Abendmesse das Rascheln der Touristen.
Abendessen, das Licht rutscht vom gestressten Pariser unbemerkt durch die Spektralpalette der Dämmerung. Als die Quiche mit Salat aufgegessen ist, sitzen die Gäste des gegenüberliegenden „Pause Café“ wie schwarze Mücken summend im gelben Licht der Straßenlaterne.
Bei diesem Abendessen handelt es sich um eine ganz andere Dämmerung! „Chez Paul“ ist die Ente kalt, die Käseplatte einfallslos, aber Ricard und Wein so ganz allein haben es in sich! Eine schnelle Skizze mit lockerem Stift vom leergegessenen Bistrot-Tisch erheitert mich. Nature morte, Julia morte, bonne nuit!
Die letzte Kulisse zeigt den morgendlichen Trubel unter dem breiten Bogen der Porte St. Denis kurz vor der Abfahrt. Ich bin glücklich! In den wenigen Tagen mit meinem Skizzen-Block fühle ich schon mehr Schwung und Sicherheit in meinem Lieblings-Bleistift (den ich übrigens aus dem Atelier-Schrank geklaut habe – ich gestehe!).

Die Passanten im Café zu skizzieren habe ich mich nicht getraut. Diese Hürde möchte ich unbedingt beim nächsten Mal überwinden: schließlich sind es die Pariser, die Ihre geheimnisvollen Kulissen beleben und sie zu diesem einen vibrierenden Ganzen zusammenfügen – Paris!
Liebe Grüße an alle Blogleser, Julia


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